Demokratie verteidigen – Teil 2
Irgendwie fehlt vielen von uns gerade die Zukunftsperspektive. Vor Corona war die Zukunft noch ziemlich klar am Horizont erkennbar. Ein „Immer besser, immer mehr“, das wir ab den 90er Jahren als Friedens- und Wohlstandsgewinn erfahren durften. Mehr Globalisierung (die Welt würde zu einem einzigen Kultur- und Wirtschaftsraum zusammenwachsen), die Demokratie würde ihren Siegeszug fortsetzen, aus der Industriegesellschaft würde eine Wissensgesellschaft werden, in der hohe Bildung für alle die Ungleichheiten der Gesellschaft auflösen würde. Ach was für ein schöner Traum.
Ja, auch ich habe mich auf den Fortschritt gefreut. Die Chance auf Home-Office, neue Werte und neue Wertschöpfung. Wir wollten Wohlstand und haben plötzlich Notstand überall. Wir wollten Frieden und haben plötzlich Krieg. Man gibt den Menschen das Internet, das das Wissen von Jahrtausenden enthält, und die Menschen suchen nach Katzenvideos oder speien ihren Ärger und Hass hinein. Man gibt den Menschen das „Smartphone“, das sie mit allem und jedem auf der Welt verbindet und sie inszenieren sich damit bis zur Selbstauflösung in Selfies. Man gibt ihnen die Demokratie und sie wählen Menschenfeinde, Antidemokraten (w/m d, aber oft dann nur noch m). Ja, da schauen wir doch nur mal in die USA.
Und was hat das alles mit der Bundestagswahl zu tun? Ich glaube, da die Welt im Großen nicht mehr stimmig erscheint, lebt jeder in einer eigenen Wahrnehmungsblase. Viele Meinungen ergeben ein Bild, ohne dass daraus ein Gesamtbild entsteht, auf das wir uns beziehen können. Nichts kommt zusammen, um ein tragfähiges Neues zu bilden. Laut Historikern waren der Kern der Netzwerke bis vor einigen Jahren noch die Kirchen und Gewerkschaften, aber beide werten diesbezüglich immer mehr ab und sind doch aber eigentlich auch heute noch als Kitt für die Gesellschaft wichtig. Vieles zerfällt, – und die schwierige Informationsbeschaffung über die Medien-? Fake-News – das wird in unserer Demokratie ein immer größeres Problem. Internet-Trolle, die den Wahlkampf beeinflussen, gezielte Desinformation oder purer Populismus, darauf sind wir denkbar schlecht vorbereitet.
Dazu kommen Menschen wie Elon Musk, der die Plattform X besitzt oder Mark Zuckerberg, der in Zukunft keine Faktenchecks mehr auf Instagram und Facebook durchführen wird. Oh-Ha ! – ein System der Übersättigung. Nichts lässt sich mehr steigern, muss aber um jeden Preis gesteigert werden. Aus dem „Immer mehr“ wird das „Viel zu viel“. Zu viel Billiges, zu viel Information, zu viele Marmeladensorten, Gleichzeitiges, Ungünstiges, Peinliches, Banales. Ökonomie gegen Ökologie. Individualität gegen Gemeinschaft. Technologie gegen Erfahrung. Kommunikation gegen Verbindung und Verbindlichkeit.
Ja, wir befinden wir uns in einm fortschreitenden Verfall der Medienwelt. Aber zum Glück gibt es auch eine wachsende Gegenbewegung. Neue mediale Netzwerke, die nützliches Wissen bereitstellen und durch informative Transparenz gemeinschaftliche Brücken schlagen.
Meine Lieblinge, die mir helfen mich im Dschungel der medialen Welt durchzuschlagen sind z.B. „Die Öffentlich Rechtlichen“ – besonders Deutschland Funk und Deutschland Radio Kultur- , die Internet Plattform Correctiv, das Katapult-Magazin und Krautreporter. Daneben gibt es natürlich noch viele weitere „Sender“, bei denen ich mich unbedingt auch für deren Arbeit und Recherche-Tätigkeiten bedanken möchte.
Für die Wahl am 23.02.2025 wäre mein Tipp: Alle Wahlprogramme finden Sie im Internet. Leider liest diese kaum jemand (außer den Schülern der Politik-Leistungskurse in der Schule). Informieren Sie sich. Insbesondere auch die Menschen an den Wahlkampfständen der Parteien in der Braunschweiger Innenstadt freuen sich über echte, direkte Diskussionen. Sprechen Sie diese doch mal an, denn ohne Diskussion und Austausch wissen wir alle viel zu wenig voneinander.
Mit freundlichen Grüßen
Sabine Sewella
Bezirksbürgermeisterin / Sanierungsbeiratsvorsitzende